Isabelle T. gehört zur Ethnie der Bissa in Burkina Faso, in der über 80 Prozent aller Mädchen der Genitalverstümmelung unterworfen werden. Die mittlerweile knapp Dreijährige ist in Deutschland geboren und soll nun nach dem Willen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt mit ihrer Mutter und älteren Schwester nach Burkina Faso zurückkehren. Die drohende Genitalverstümmelung wurde im ganzen Verfahren ignoriert. Isabelle und ihre Mutter hoffen nunmehr im Klageverfahren vor dem zuständigen Verwaltungsgericht in Sachsen-Anhalt Schutz zu finden.
Leipzig, 4. Februar 2022 – SAIDA International e.V. plädiert zum internationalen Aktionstag „Null Toleranz gegenüber weiblicher Genitalverstümmelung" am 6. Februar 2022 für individuellen Schutz der 2-jährigen Isabelle. *)
Die Vereinten Nationen warnen, dass allein 2022 über vier Millionen Mädchen Opfer einer Genitalverstümmelung werden. In Deutschland sind nach Schätzungen von SAIDA über 22.000 Mädchen von dieser tradierten Gewalt bedroht. Eines davon ist Isabelle.
Geburt in Deutschland schützt nicht vor Genitalverstümmelung
Isabelles Mutter Mariam T. *) hat Genitalverstümmelung und Zwangsehe in ihrer westafrikanischen Heimat Burkina Faso überlebt und einen mutigen Entschluss gefasst: „Ich möchte meine Töchter vor der Genitalverstümmelung bewahren. Sie sollen nicht so leiden müssen wie ich und ein besseres Leben haben. Dafür setze ich mich mit aller Kraft ein." Aber Kraft braucht Mariam auch für den jahrelangen Kampf um Bleiberecht in Deutschland.
Mädchenschutz setzt eine sensibilisierte Öffentlichkeit voraus
Der Asylantrag von Mariam und ihrer 10-jährigen Tochter Alice *) wurde bereits abgelehnt, obwohl drohende Genitalverstümmelung ein anerkannter geschlechtsspezifischer Fluchtgrund ist. Bei der Anhörung wurde die Gefahr für Tochter Alice überhaupt nicht thematisiert. Warum wurde die Analphabetin Mariam nicht darüber aufgeklärt, dass sie als besonders schutzbedürftige Geflüchtete die Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifische Verfolgung anrufen kann? Wieso hat die Behörde die Lage in Burkina Faso ignoriert, wo in Mariams Ethnie der Bissa kaum ein Mädchen der Genitalverstümmelung entkommt? Mariams Asylantrag wurde als „offensichtlich unbegründet" abgelehnt und rein wirtschaftliche Motive für die Flucht angenommen. Der eigenständige Asylantrag der in Deutschland geborenen Isabelle wurde ebenfalls abgelehnt. Die Familie wartet nunmehr seit zwei Jahren auf die Anhörung in ihrem Klageverfahren. Bei ablehnendem Gerichtsurteil droht der Familie sofortige Abschiebung und damit die Genitalverstümmelung der Mädchen. Alice und Isabelle sprechen inzwischen Deutsch und weder sie noch ihre Freundinnen in Schule und Kindergarten ahnen etwas von der Gefahr.
Mädchenschutz-Initiative #ihrSCHUTZbistDU
Mariam möchte darauf aufmerksam machen, dass viele Mädchen auch in Deutschland von Genitalverstümmelung bedroht sind. Sie unterstützt deshalb die Initiative #ihrSCHUTZbistDU mit dem Bild ihrer Töchter. SAIDA will damit erreichen, dass sowohl Fachkräfte als auch die breite Öffentlichkeit sich mit den Möglichkeiten für wirksamen Mädchenschutz auseinandersetzen.
*) Namen zum Schutz der Familie geändertÜber SAIDA International e.V.
Der Leipziger Verein SAIDA International setzt sich seit 2010 für die Umsetzung von Kinder- und Frauenrechten ein. In Burkina Faso sichert das SAIDA Mädchenschutzprogramm Zugang zu Bildung, Gesundheit und Schutz vor Genitalverstümmelung.
In Deutschland leistet der Verein entwicklungspolitische Bildungsarbeit. Die SAIDA Fachberatungsstelle unterstützt von Genitalverstümmelung betroffene und gefährdete Mädchen und Frauen und bildet Fachkräfte fort. Mit dem SAIDA Kompetenzzentrum wurde eine zentrale Anlaufstelle für umfassende medizinische Versorgung und chirurgische Rekonstruktion geschaffen.
Fotos: Alice und Isabelle in ihrem Wohnort in Sachsen-Anhalt/Ralph Lobstädt