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SCHUTZ VOR GENTALVERSTÜMMELUNG... 

 
 

...IN BURKINA FASO UND DEUTSCHLAND

Im SAIDA Mädchenschutz-Programm in Burkina Faso wachsen die Mädchen geschützt vor Genitalverstümmelung auf.

Aber auch in Deutschland leben über 100.000 Mädchen und Frauen, die von dieser schweren Gewalt betroffen oder bedroht sind. Schutz und Hilfe für die Betroffenen hängt ab von sensibilisierten, engagierten Fachkräften und einer informierten Öffentlichkeit. #ihrSCHUTZbistDU

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Weltweite Verbreitung

Die Genitalverstümmelung von Mädchen ist mittlerweile ein globales Gewaltphänomen mit mindestens 3 Millionen Opfern jedes Jahr. Mittlerweile haben viele Länder, in denen die genitale Verstümmelung von Mädchen verbreitet ist, Strafgesetze erlassen. Aber noch immer werden jedes Jahr mindestens 3 Millionen Mädchen dieser Misshandlung unterworfen. Derzeit müssen 200 Millionen Mädchen und Frauen in afrikanischen, arabischen und asiatischen Verbreitungsländern mit den schwerwiegenden Folgen weiterleben. In manchen Ländern ist nahezu die gesamte weibliche Bevölkerung betroffen, wie etwa in Ägypten, Guinea und Somalia. In anderen Ländern ist die Praktik nur bei verschiedenen Ethnien verbreitet.

Diese systematische Gewalt gegen die weibliche Bevölkerung ist in etwa 28 afrikanischen Ländern verbreitet und tritt verstärkt sowohl im Nahen Osten als auch in Asien auf. Die von Unicef herausgegebenen Verbreitungszahlen führen außer den afrikanischen Ländern nur Irak und Jemen. Allerdings hat Unicef im Februar 2016 die Opferzahlen nach oben korrigiert, da die Verbreitung in Indonesien und Malaysia mit mindestens 50 Millionen Betroffenen repräsentativ belegt ist. Studien unter anderem aus Iran, Oman, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Pakistan zeigen das wahre geographische Ausmaß. Es bleibt abzuwarten, ob die wichtige Feldforschung in diesen Ländern den Weg in die offizielle Verbreitungsstatistik finden wird.

Durch Migration tritt die Genitalverstümmelung auch immer mehr in Amerika, Australien und Europa in Erscheinung. Recherchen der Waris Dirie Foundation haben ergeben, dass in Europa mindestens 500.000 betroffene Frauen und Mädchen leben und 180.000 minderjährige Mädchen gelten als akut gefährdet. Allein in Deutschland sind nach unserer Schätzung etwa 30.000 Mädchen von dieser besonders schweren Form der Gewalt bedroht oder bereits betroffen.

Die Gewalt macht also keineswegs vor europäischen Rechtsstaaten Halt. Um in Deutschland Mädchen umfassend vor der Verstümmelung ihrer Genitalien schützen zu können, plädieren wir für effektive präventive Maßnahmen, wie die Einführung einer Meldepflicht nach französichem Vorbild und verpflichtende Kindervorsorgeuntersuchungen.

Körperliche und psychische Folgen

Die schwere Misshandlung durch Verstümmelung der Genitalien verursacht oft lebenslange körperliche und psychische Schäden.

Akute körperliche Folgen
Die Opfer erleiden während der Übergriffe sehr häufig Schockzustände durch Todesangst, extreme Schmerzen und unkontrollierbare Blutungen. Die meist unhygienischen Umstände verursachenInfektionen der Harnwege, der Gebärmutter und Eierstöcke. Infektionen wie Wundstarrkrampf (Tetanus), Wundbrand und allgemeine Blutvergiftung können zum Tod führen. Harnverhalt durch Angst vor Schmerzen sowie Entzündungen und Schwellungen treten oftmals nach der Verstümmelung auf. Zusätzliche Gewaltanwendung (wie Festhalten, Schläge, Knebeln) während der Prozedur führt häufig zur Verletzung benachbarter Organe (wie Harnröhre, Vagina, Damm oder Mastdarm) und Frakturen, etwa Brüche der Schlüsselbeine, der Arme oder der Oberschenkel. 

Chronische körperliche Folgen
Ebenso häufig wie chronische Schmerzen durch Nervenschädigung sind starke Schmerzen durch Narbenwulstbildung und Unfruchtbarkeit durch ständig wiederkehrende Infektionen. Die Verletzung angrenzender Gewebe führt oft zu Harn- und Stuhlinkontinenz (Fisteln). Meist leiden die Betroffenen unter Sexualstörungen: das sexuelle Erleben ist enorm eingeschränkt oder unwiederbringlich abgetötet, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr treten häufig auf. Es kommt zu Menstruationsstörungen (Schmerzen, Ansammlung von Blut in der Vagina) durch teilweisen oder beinahe vollständigen Verschluss der Vaginalöffnung sowie häufiger zu HIV-Infektionen.

Folgen für Schwangerschaft und Geburt
Durch nichtdehnbares Narbengewebe und Verengung der Vaginalöffnung kommt es häufig zu einer gefährlich verlängerten Austreibungsphase. Durch Sauerstoffmangel sterben viele Kinder oder erleiden Hirnschädigungen. Die Mütter haben - neben unnötig großen Schmerzen - ein hohes Risiko für Wund- und Harnwegsentzündungen, Sepsis sowie Blutungsrisiko bei Defibulation und Re-Infibulation. Sehr häufig kommt es zuGeburtsverletzungen, wie schweren Damm- und Urethralrissen oder Fisteln.

Fisteln entstehen, wenn der Kopf des Babys länger mit Wucht gegen das Becken drückt und die Blutzirkulation unterbrochen wird. Das Gewebe stirbt ab und hinterlässt ein Loch zwischen Vagina und Blase, teilweise auch dem Rektum. In der Folge können Ausscheidungen nicht mehr zurückgehalten werden, es kommt zu schwerster Inkontinenz. Können die Frauen ihre Ausscheidungen nicht mehr kontrollieren, ist das eine enorme soziale Belastung, die - ebenso wie Unfruchtbarkeit oder Totgeburten - häufig zu einem Ausschluss aus der Gesellschaft führt.

Psychische und soziale Folgen
Neben diesen schweren körperlichen Schäden hinterlässt die Verstümmelung meist ein schwerwiegendes unauslöschliches körperliches und seelisches Trauma. Die erlebte Gewalt, die Todesangst und starken Schmerzen können bei einer großen Anzahl der Opfer anhaltende posttraumatische Belastungsstörungen, dissoziative Störungen und Angststörungen auslösen. Da die eigenen Angehörigen das Kind den Tätern übergeben oder bei der Tat sogar assistieren, ist die Verstümmelung oftmals verbunden mit Vertrauensverlust zu Bezugspersonen und Bindungsunfähigkeit. Langfristig können die Opfer unter dem Gefühl des Unvollständigseins, unter Angst, Depressionen, Psychosen, chronischer Reizbarkeit, sexuellen Störungen und Partnerschaftskonflikten leiden. 

Motiv für die Genitalverstümmelung

Thomas Sankara hat sich als Präsident von Burkina Faso für die Rechte von Frauen stark gemacht und sie als die Basis für gesellschaftliche Entwicklung gesehen. Als erster afrikanischer Staatschef hat er die Verstümmelungsgewalt auf die politische Agenda gesetzt und ihr Motiv klar benannt.

Nährboden für diese Gewalt ist ein gesellschaftliches Klima, in dem Frauen als Eigentum und Handelsware betrachtet werden und männliche Machtansprüche durch Drohungen und Akte direkter Gewalt gefestigt werden. Um Gewalt solchen Ausmaßes über einen langen Zeitraum hinweg aufrecht erhalten zu können, ist eine ideologische Rechtfertigung sowohl Voraussetzung als auch wichtiges Instrument. Je nach Ethnie und Region variieren die Rechtfertigungen für die Genitalverstümmelung der Mädchen:

Genitalverstümmelung ist ein Versuch, Frauen eine untergeordnete Stellung zuzuweisen, indem man sie mit diesem Stigma versieht, das sie herabsetzt und ständig daran erinnert, dass sie nur Frauen sind, dass sie nicht einmal das Recht über ihren eigenen Körper haben oder auf körperliche und persönliche Erfüllung.
Thomas Sankara, Präsident Burkina Faso 1983 -1987
  • Die Familienehre wird an die Sexualität der Töchter geknüpft und da die weibliche Libido als zügellos betrachtet wird, muss sie kontrolliert werden. Die Verstümmelung der Genitalien soll sicherstellen, dass die Mädchen kein Interesse an vorehelichem Geschlechtsverkehr haben und nicht schwanger werden. Ein Mädchen, dessen "Jungfräulichkeit" und Keuschheit in Zweifel stehen, ist schlicht nicht heiratsfähig. In Interviews geben Frauen häufig an, dass die Verstümmelung ihrer Genitalien wiederum dem Lustgewinn des zukünftigen Ehemannes dienen solle.
     
  • Häufig wird die Genitalverstümmelung als religiöse Pflicht verbrämt. Nur wenige religiöse Führer verurteilen diese Gewalt, manche überlassen ihre Ausübung der individuellen Entscheidung, aber die meisten nutzen ihre Autorität, um offen für die Fortführung dieser Praktiken zu plädieren.
     
  • In den praktizierenden Gesellschaften wird Genitalverstümmelung zudem als unumgängliche Tradition benannt, die etwa zur Befriedigung der Ahnen fortgeführt werden müsse.
     
  • Oft wird die Praktik mit ästhetischen Vorstellungen gerechtfertigt: Mädchen gelten als "rein" und "schön", wenn Körperteile entfernt werden, die als "männlich" oder "unrein" gelten. Weibliche Geschlechtsteile müssten entfernt werden, weil sie hässlich seien, schlechte Gerüche verbreiteten oder unendlich wachsen würden.
     
  • Es kursieren medizinische Mythen, wie z.B die Klitoris töte das Kind bei der Entbindung und mache den Mann unfruchtbar oder die Verstümmelung erleichtere die Geburt und erhöhe die weibliche Fruchtbarkeit.

Die Liste dieser austauschbaren Mythen, die zur Rechtfertigung der Gewalt benutzt werden, lässt sich beliebig fortsetzen. Deutlich wird, dass die Verfechter der Genitalverstümmelung eine Drohkulisse errichten: Familien oder Mädchen, die sich der Tradition nicht mehr beugen wollen, sehen sich sozialen Sanktionen ausgesetzt, die ineinander verwoben sind: die Familie wird gemieden, die Mädchen sind nicht heiratsfähig und bringen die Familie somit um den "Brautpreis", die Mädchen können ihren sozialen Status nicht durch die Geburt ehelicher Kinder verbessern, sie werden als Prostituierte beschimpft, man nimmt kein Essen von ihnen an, schreibt ihnen Missernten und vergiftete Brunnen zu, beerdigt sie schließlich halbnackt und "in Schande". So zeigt allein die Androhung dieser schweren Sanktionen Wirkung bei der Aufrechterhaltung der Verstümmelungsgewalt.

Praktik der Genitalverstümmelung

Genitalverstümmelung ist ein äußerst gewalttätiger Eingriff in den Körper eines Mädchens, der schwerste Schäden hinterlässt und nicht rückgängig gemacht werden kann. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet als weibliche Genitalverstümmelung (engl. Female Genital Mutilation, FGM) sämtliche Eingriffe, bei denen ein Teil der äußeren Geschlechtsorgane oder das gesamte äußere Genital aus nichtmedizinischen Gründen entfernt wird.

Gefährdet sind Mädchen vom Säuglings- bis zum Teenageralter, manchmal werden sie auch erst vor oder nach der Entbindung ihres ersten Kindes der Verstümmelung unterworfen. Je nach regionaler oder ethnischer Zugehörigkeit gehen die Ausführenden unterschiedlich vor. Die WHO unterscheidet vier Typen der Praktik:

Klitoridektomie (Typ I)
Den meisten Mädchen wird in einer qualvollen Prozedur der sichtbare Teil der Klitoris herausgeschnitten. Die Klitoris ist das erektile Organ, analog dem männlichen Penis. Entwicklungsbiologisch und ausgehend von der Gefühlssensorik entspricht die Klitoris dem männlichen Penis. 

Exzision (Typ II)
Zusätzlich zur Klitoridektomie werden vielen Opfern die kleinen Schamlippen (innere Labien) und gelegentlich die großen Schamlippen (äußere Labien) ganz oder teilweise entfernt. Etwa 80 Prozent aller Opfer sind von den beiden Formen Klitoridektomie oder Exzision betroffen.

Infibulation (Typ III)
Bei etwa 15 Prozent aller Opfer werden der sichtbare Teil der Klitoris, die kleinen und die großen Schamlippen herausgeschnitten. Die Vagina wird anschließend bis auf eine minimale Öffnung verschlossen für den langsamen Austritt von Urin und Menstruationsblut (nach dem lateinischen Ausdruck Fibula für Verschluss). Hierbei kommt es in äußerst seltenen Fällen vor, dass die Klitoris erhalten bleibt und unter der Narbendecke liegt. Für den ersten Geschlechtsverkehr muss die Vagina aufgeschnitten (Defibulation) und die Wunde täglich penetriert werden, um die Öffnung zu erhalten. Nach Geburten wird die Vagina erneut verschlossen (Refibulation) und diese Prozedur wiederholt, solange Restgewebe vorhanden ist.

Typ IV
Es existieren eine Reihe von Variationen, die von regionalen Gebräuchen oder der Gewohnheit der Ausführenden abhängen. Die WHO führt Praktiken wie das Verbrennen, Auskratzen oder Einstechen der Vagina oder das Verätzen der Klitoris an.

Tatumstände und Täter(innen)
In den meisten Fällen wird die Tat unter katastrophalen hygienischen Bedingungen sowie ohne Betäubung und Schmerzmittel von traditionellen Verstümmlerinnen (häufig beschönigend "Beschneiderin" genannt) verübt, die häufig auch als Geburtshelferinnen tätig sind. Als Tatwerkzeuge dienen dabei Messer, scharfkantige Steine und Rasierklingen. In manchen Ländern, wie Ägypten oder Niger gehen auch Barbiere diesem Geschäft nach. In Ägypten zum Beispiel wird das gesetzliche Verbot weitestgehend ignoriert oder umgangen. Die Gewalt ist dabei sowohl in den ländlichen Gebieten als auch in den Städten Ägyptens stark verbreitet.

Trend zu "Medikalisierung
Zunehmend wird die sexuelle Verstümmelung der Mädchen unter hygienischeren Umständen, mit Betäubung und Schmerzmitteln verübt. Dieser Trend zur sogenannten Medikalisierung der Praktik sorgt dafür, dass immer mehr medizinisches Personal und Ärzte die Verstümmelungen gegen Bezahlung durchführen. Das ist der Fall etwa in Dschibuti, Somalia, Sudan und Ägypten, wo in über 75 Prozent der Fälle Ärzte und medizinisches Personal an den Taten beteiligt ist.

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Über SAIDA International e.V.

Wir setzen uns seit 2010 für die Umsetzung von Frauen- und Kinderrechten ein. Im Fokus steht der Schutz von Mädchen vor Genitalverstümmelung – sowohl in den Herkunftsländern als auch in Deutschland. Die SAIDA Fach-und Beratungsstelle ist die zentrale Anlaufstelle für Beratung, Versorgung und Prävention sowie Fortbildung für Fachkräfte. 

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