Rechtliche Lage in Afrika
Die Praktik der Genitalverstümmelung wurde erstmalig auf der UN-Menschenrechtskonferenz 1993 als Menschenrechtsverletzung eingestuft. Laut der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 verstößt sie gegen die Würde des Menschen (Art.1), das Recht auf Leben (Art. 3) und das Verbot von Folter (Art. 5). In einem Menschenrechtsvertrag wurde die Praktik jedoch erst 1993 explizit aufgenommen: In der "Erklärung zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen" der UN werden als Formen der Gewalt gegen Frauen im öffentlichen und privaten Bereich die Genitalverstümmelung und andere für Frauen schädliche und verletzende traditionelle Praktiken definiert. 2003 schließlich verabschiedete die Afrikanische Union das Maputo-Protokoll, das sich gegen jede Form der weiblichen Genitalverstümmelung wendet. Mit der Ratifizierung des Protokolls 2005 verpflichteten sich 36 afrikanische Staaten gesetzliche Verbote der Praktik zu erlassen.
Wir haben eine Übersicht aller afrikanischen Länder erstellt, die bislang Gesetze gegen Genitalverstümmelung erlassen haben. Einige sind erst als Reaktion auf das Maputo Protokoll aktiv geworden, andere wie Burkina Faso verfügen bereits seit 1996 über ein solches Gesetz. Jedoch variieren die Inhalte und die Implementierung der Gesetze stark. Zum Beispiel werden Haftstrafen zur Bewährung ausgesetzt, so dass die Täter nie ins Gefängnis müssen oder das mögliche Strafmaß ist gemessen an anderen Straftaten gering. Inwiefern die Gesetze tatsächlich umgesetzt werden, unterscheidet sich stark. Wenn es allerdings trotz hoher Verbreitungsrate kaum Ermittlungen und Verurteilungen gibt, erscheinen Gesetze als reine Papiertiger. Für die Betroffenen verschärft sich die Lage, wenn der Staat auch gegenüber internationalen Partnern den Eindruck erweckt, bereits gegen die Genitalverstümmelung vorzugehen. Die Folgen sehen wir zum Beispiel in Asylverfahren in Deutschland. Schutz suchende Frauen werden abgewiesen mit der Begründung, das Herkunftsland würde die Bedrohung durch Genitalverstümmelung abwenden aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen.
Zuletzt hat Sudan im April 2020 den (längst überfälligen) Schritt zur Kriminalisierung der Praktik vollzogen und ein nationales Gesetz ratifiziert. Somit ist die Genitalverstümmelung noch legal in diesen fünf afrikanischen Ländern: Liberia, Mali, Sierra Leone, Somalia und Tschad.
Übersicht aller afrikanischen Länder, die ein Gesetz gegen Genitalverstümmelung erlassen haben
Land | Jahr |
---|---|
Ägypten | 2008 |
Äthiopien | 2004 |
Burkina Faso | 1996 |
Benin | 2003 |
Dschibuti | 2003 |
Elfenbeinküste | 1998 |
Eritrea | 2007 |
Gambia | 2015 |
Ghana | 1994 |
Guinea | 1965 |
Kamerun | 2016 |
Kenia | 2001 |
Madagaskar | 1998 |
Mauretanien | 2005 |
Niger | 2003 |
Nigeria | 2015 |
Senegal | 1999 |
Sudan | 2020 |
Südafrika | 2005 |
Tansania | 1998 |
Togo | 1998 |
Zentralafrikanische Republik | 1966 |