Fokus: Indonesien
In Indonesien ist Genitalverstümmelung gängige Praxis. In dem viertbevölkerungsreichsten Staat der Welt wird von einer Betroffenheitsrate von 49 % ausgegangen, das entspricht in etwa 60 Millionen betroffene Frauen. Lange Zeit wurde die Existenz der Praktik in Asien ignoriert. 2016 erschien ein UNICEF Report, der die Anzahl der FGM Betroffenen weltweit stark nach oben korrigierte. Die Zahl stieg im Vergleich zum 2014 Bericht um fast 70 Millionen, da neue Daten aus Indonesien einberechnet wurden. Dies zeigt, dass es sich bei weiblicher Genitalverstümmelung nicht um ein afrikanisches, sondern viel mehr um ein globales Problem handelt.
Der Einfluss des Islams in Indonesien
FGM wird in Indonesien religiös begründet. Indonesien ist das Land mit der weltweit größten Anzahl an Muslimen. Obwohl Female Genital Mutilation im Koran nicht erwähnt wird, wird die Praktik von einigen Lehrrichtungen gutgeheißen. Dies ist auch der Fall in der shafi’itischen Rechtsschule, die in Indonesien die Mehrheit der Muslime stellt. Wenn auch die Durchführung der Praktik nicht obligatorisch ist, so wird es doch von muslimischen Organisation in Indonesien „moralisch empfohlen“. Die muslimische Yayasan Assalaam Stiftung veranstaltet jährlich im Mondmonat des Propheten Mohameds Massenzeremonien („khitanan massal“) zur Verstümmelung der Mädchen.
Auch ein kleiner Stich ist folgenreich
In Indonesien werden meist Klitoridektomie (Typ I) oder andere Praktiken wie Stechen, Verbrennen oder Ätzen (Typ IV) durchgeführt. Schätzungen zufolge findet in 80 % der Fälle ein tatsächliches Beschneiden/Abschneiden der Klitoris statt.Die extremeren Formen von FGM sind in Indonesien nicht üblich. Deshalb wird in Indonesien auch oft der euphemistische Begriff Female Genital Cutting verwendet. Doch auch Typ I und Typ IV stellen einen Verstoß gegen die Menschenrechtsverträge dar, die von Indonesien unterzeichnet wurden. Denn bereits das Kratzen mit einer Nadel kann gesundheitliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Warum Medikalisierung nicht die Lösung des Problems ist
In Indonesien wurde FGM bereits 2006 verboten. Jedoch leistete der Ulema Rat, die Schnittstelle zwischen muslimischer Gemeinschaft und indonesischer Regierung, starken Widerstand. Sie erließ ein Fatwa (Rechtsgutachten islamischer Gelehrter). Dieses suggeriert, dass FGM im Islam obligatorisch ist und deshalb nicht verboten werden sollte. Es wird den Ärzten auch dazu geraten „nicht zu viel abzuschneiden“. Vier Jahre später lenkt die indonesische Regierung ein und veröffentlicht eine Anleitung wie medizinisches Personal FGM durchzuführen hat. Die Medikalisierung der Praktik bestärkte die Durchführung nur noch. Krankenhäuser begannen Geburtspakete für 22 – 40 EUR anzubieten, die Ohrlöcher stechen, Impfungen und Genitalverstümmelung enthalten. Selbst in Regionen, in denen FGM bis dahin nicht Tradition war, werden heute die Pakete angeboten und die Nachfrage so befeuert. Die Eltern wissen oft nicht was die Geburtspakete beinhalten und Ärzte, die meist nur in männlicher Beschneidung geschult sind, schneiden einfach ein Stück der Klitoris ab. Doch auch außerhalb von Krankenhäusern findet die Praktik statt. In Schulen werden Massenverstümmelungen organisiert und manchmal werden die Mütter sogar entlohnt, damit sie ihre Mädchen dort hin bringen.
Dadurch dass Ärzte die Praktik durchführen, sieht die Öffentlichkeit die Praktik als sicher und gesund an. Die Legitimierung führte dazu, dass FGM nicht als die Menschenrechtsverletzung wahrgenommen wird, die sie darstellt. Weiterhin wird die Verstümmelung auch ohne steriles Material von Heilerinnen und Angehörigen durchgeführt, in dem Glauben das richtige zu tun, denn „die Ärzte machen es schließlich auch“. Dass die Regierung 2014 ihre Anleitung für medizinisches Personal zurückzog, scheint keine großen Auswirkungen zu haben. Weiterhin steht in Indonesien keine Strafe auf FGM.
Andere Praktiken:
Virginity Tests (dt. Jungfrauentests): Frauen, die Soldatinnen werden wollen, müssen sich dem sogenannten „Zwei-Finger Test“ unterziehen. Ein männlicher Tester führt zwei seiner Finger in die Vagina der Frau ein, und versucht zu ertasten, ob das Jungfernhäutchen noch intakt ist. So soll überprüft werden, ob die Frauen Geschlechtskrankheiten haben. In Wirklichkeit stellt die Praktik eine Menschenrechtsverletzung dar und erlaubt keine medizinisch fundierte Aussage über eine mögliche Erkrankung. Trotz weltweiter Empörung ist die Praktik auch heute noch Bestandteil des Auswahlverfahrens.