Fokus: Kamerun
Kamerun liegt an der geografischen Schnittstelle zwischen West- und Zentralafrika und ist von Nigeria, Tschad, Zentralafrikanischer Republik, Republik Kongo, Gabun und Äquatorialguinea umgeben. In dem von ethnischer und linguistischer Vielfalt geprägten Land leben über 200 verschiedene Ethnien, die über 230 nationalen Sprachen sprechen.
Durch den Versailler Vertrag ging das Land 1919 nach 35 Jahren deutscher Kolonialherrschaft in den Besitz des Völkerbundes über. Dieser teilte die Verwaltung des Landes auf Frankreich, das vier Fünftel erhielt, und England auf. 1961 erklärte Kamerun offiziell seine Unabhängigkeit und nennt sich seit 1972 „Vereinigte Republik Kamerun“. Seit 1982 ist der mittlerweile 78-jährige Paul Biya Staatsoberhaupt der Republik.
Genitalverstümmelung in Kamerun
Weibliche Genitalverstümmelung ist in Kamerun wenig verbreitet. Die Verbreitungsrate beträgt nur 1,4 %. Jedoch ist die Verbreitung stark regional bedingt. Die Praktik wird fast ausschließlich im äußersten Norden und Südwesten durchgeführt. Dort beträgt die Prävalenzrate bis zu 13%. Bei fast allen betroffenen Mädchen wurde Typ II der Verstümmelungsformen (WHO) festgestellt. Die Verstümmelung wird meist von Großmüttern oder traditionellen Geburtshelferinnen ausgeführt.
Seit 2016 verbietet das Gesetz No. 2016/007 Genitalverstümmelung in Kamerun. Die Strafe beträgt 10 bis 20 Jahre Freiheitsentzug. Stirbt das Mädchen, oder führt der Täter die Praktik regelmäßig und kommerziell durch, so verlangt das Gesetz lebenslange Haft. Auch wenn das Opfer jünger als 15 Jahre ist, wird die Strafe auf lebenslang verlängert. Jedoch sind bis heute keine Fälle bekannt, in denen die Gesetze angewandt wurden. Die Regierung scheint sich zuerst die Bevölkerung für das Thema sensibilisieren zu wollen. Deshalb wurde 2011 ein National Action Plan verabschiedet, der Maßnahmen gegen Genitalverstümmelung enthält. Dieser beinhaltet unteranderem die Gründung von lokalen FGM Komitees zur Sensibilisierung der Gemeinden und die Schaffung von Zentren für die Versorgung von Opfern.
Brustbügeln – eine wenig bekannte Form der Verstümmelung
Weiter verbreitet als weibliche Genitalverstümmelung ist eine andere Form der Gewalt: das Brustbügeln. Ein Viertel aller Mädchen und Frauen in Kamerun ist von der Praktik betroffen, die auch in Togo, Äquatorialguinea und Benin existiert. Brustbügeln bezeichnet eine Köpermodifikation, bei der die heranwachsenden Brüste von jungen Mädchen mit heißen Steinen heftig gerieben und abgedrückt werden. Dies geschieht meist zum ersten Mal wenn die Pubertät einsetzt. Die Prozedur erstreckt sich über viele Monate, in denen die Brüste der Mädchen täglich malträtiert werden. Einige Mütter wickeln ihren Töchtern zusätzlich enge Bandagen um den Brustkorb.
Ziel der Praktik ist es das Wachstum der Brüste zu verhindern. So wollen Mütter die Attraktivität ihrer Töchter mindern, um sie vor sexueller Gewalt und ungewollten Schwangerschaften zu schützen. In manchen Regionen glaubt die Bevölkerung auch, dass die Mädchen nur so später ausreichend Milch produzieren können. Tatsächlich verhindert die Praktik ein normales Stillen. Sie führt außerdem zu Entzündungen, Abszessen und psychologischem Trauma.